June 13, 2004

Preparing Fórum Cultural Mundial in São Paulo

Vorbereitungen auf das Fórum Cultural Mundial – brasilianischglobale Projektarbeit

Ungefähr 6 Wochen ist es her, dass ich holterdipolter in dieses Projekt gestolpert bin. Ohne einen Menschen persönlich zu kennen und nur auf Empfehlung des deutschen executive directors stellte ich mich im Büro des Weltulturforums, São Paulo 2004 vor und meine Arbeitskraft als Volontär zur Verfügung.

Ich wurde sehr herzlich empfangen, da ich anscheinend gut angekündigt worden war und begann sofort mit der Arbeit in dem mir zugedachten Bereich. Zusammen mit einer anderen Voluntärin aus Dänemark sollte ich die Kontakte zu vorgesehenen internationalen Gästen recherchieren, Einladungen versenden und die Kommunikation mit Ihnen koordinieren. Unterstützung bekamen wir von sehr netten und erfahrenen Mitarbeitern des SESC-Paulista, in dessen 12-stöckigen Gebäude das Fórum eine ganze Etage zur Verfügung gestellt bekam. Zu Beginn waren wir 10 Leute auf ca. 200qm, jetzt sind wir 25 und auch das ist noch sehr familär für so ein ambitioniertes Unterfangen. Vielleicht ist das auch der Grund, warum ich von morgens halb zehn bis nachts um elf vor Ort bin und nie das Gefühl habe überflüssig zu sein.

Ich will ja nicht jammern, aber ich glaube, ich habe schon lange nicht mehr soviel gearbeitet, wie in den letzten 4 Wochen. Dazu kommt noch das ich größtenteils vorm Rechner sitze und es ist eigentlich ein Wunder, das ich ausser meinen Fingern, Augen und grauen Zellen noch andere Körperteile habe ;-).

Alles in allem ist es aber ein sehr spannendes Projekt, wobei ich mich schon hin und wieder frage, wie man auf so eine verrückte Idee kommen kann, das gerade in Brasilien vorbereiten zu wollen. Aber die Idee kommt ja teilweise auch von hier und witzigerweise war ich sogar schon bei einem der ersten Treffen im Jahre 2001 in Salvador, Bahia zugegen. Damals fand auf dem Mercado Cultural, zeitgleich zum Musikfestival “Strictly mundial” (wo ich wegen der Musik zu Gast war) ein Vorbereitungssymposium für ein World Culture Forum statt. Ich dachte, die sind alle größenwahnsinnig und habe mir das aus gesunder Distanz angehört, war aber schon damals interessiert. Erst im letzten Jahr hörte ich dann wieder von diesem Terminus und spitzte natürlich sofort die Ohren.

Die Idee ist folgende: innerhalb einer knappen Woche sollen verschiedenste Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Kunst, Kultur und Politik gemeinsam versuchen die Bedeutung von Kultur in einer Welt im Globalisierungsprozess zu verorten.
Dazu sollen an drei Tagen gefüllt mit Konferenzen, Debatten und zusätzlichen Aktivitäten jeweils 2 Haupttehmen behandelt werden. Die sechs Hauptthemen der Konferenzen sind:

1. Kultur und soziale Entwicklung: Verantwortung teilen

2. Identität und Autonomie: neue Kartografien zeichnen

3. Wissen, Ausbildung und Solidarität: kulturelle Dimensionen einer neuen Zeit

4. Kulturelle Diversität: kulturelles Erbe und Paradigmen der Menschheit

5. Ökonomie und Kultur: Produktion und Zirkulation von Werten

6. Neue Konfigurationen der Welt: Einfluss auf Produktion und Administration von Kultur

Diese Themen sind noch einmal in jeweils vier Unterthemen gegliedert, zu denen dann Debatten stattfinden werden. Zu diesen 6 Punkten werden Freiräume für Zusätzliche Aktivitäten verschiedener Eigeninitiativen geöffnet. Die Beteiligung an all diesen Veranstaltungen soll möglichts international und vielfältig sein.

Ausser dieser Global Convention, die ja eher theoretisch ausgerichtet ist, wird ein Kulturprogramm (vom SESC organisiert) angeboten, dass auf die ganze Statt verteilt stattfinden wird. Auftakt wird ein großes Konzert von Mano Chao und den Young Gods sein, wobei ein Gastauftritt Gilberto Gils (Brasiliens Kulturminister und Schirmherr des Fórums) nicht ausgeschlossen wird.

Ebenfalls im Conventioncenter (Anhembi-Park) soll eine Messe der Ideen und Kulturprojekte stattfinden. Sämtliche Interessenten aus dem weitestgehend kulturellen Bereich können dort Stände mieten und auch hier wird es ein ganztägiges Kulturprogramm geben.

Alles in allem also ein fettes Programm, jede Menge Angebote und wenn wirklich ausreichend Publikum kommt, wird es ein ziemlicher Trubel und ein babylonisches Stimmengewirr. Bis zum jetzigen Zeitpunkt haben wir 150 Redner für die Konferenzen und ca. 60 selbstorganisierte Aktivitäten (á 2h) auf dem Programm. Die größte Beteiligung kommt natürlich aus Lateinamerika und Europa, wobei auch Afrika gut auf der Convention vertreten ist. Gäste aus Asien und Osteuropa sind seltener. Das mag wohl an der räumlichen Distanz, aber vor allem wohl an der kürze der Vorbereitungszeit liegen. Ofiziell begannen alle direkten Arbeiten erst im Februar. Für Länder mit erschwerten Visabedingungen ein viel zu knapper Zeitraum, zudem die Kommunikationswege trotz e-mail und Telefon noch nicht immer einwandfrei funktionieren. Mehr zu diesen und anderen Schwierigkeiten in der Organisation dieses Mammutprojekts kann ich vielleicht im Nachhinein kundtun. Aus gewissen zeitlichem Abstand und persönlicher Distanz lässt sich das nämlich viel besser beurteilen ;-).

Schon jetzt wird aber deutlich, dass genügend Vorlauf und eine gute Organisationsstruktur nur hilfreich sein können und die Tatsache, dass dies alles in São Paulo, dem Buisnesszentrum Lateinamerikas stattfindet, bedeutet noch lange nicht, dass man es dabei mit hochmodernen professionellen Bedingungen zu tun hat. Wenn ich hier mal nur ein kleines Besipiel anfügen darf: es hat sage und schreibe drei Wochen gedauert, bis ich eine funktionierende Netzwerkverbindung an einem eigenen Arbeitsplatz zur Verfügung hatte und bis heute arbeite ich an meinem eigenen Laptop. Nicht weil ich das gern mache (gottseidank tue ich das) sondern weil die Systemadministratoren und “Netzwerkspezialisten” im Haus einfach vollig überfordert sind. Nach den sonstigen Produktionsbedingungen (Fördermittel und Zahlungsmoral der Sponsoren) dürft Ihr mich nicht fragen, gottseidank hab ich damit nichts zu tun…

Wir sind alle sehr gespannt, was letztendlich dabei rauskommt und der Zielspurt wird sicher für alle beteiligten ein enormer Kraftakt. Wenn Ihr Euch über die hohen Erwartungen informieren wollt, dann schaut Euch mal in Ruhe die folgende Homepage an:

http://www.forumculturalmundial.org (englisch/portugiesisch/spanisch)

Dort gibts auch bald das gesamte Programm (hoffentlich!), sowie Infos über vorbereitende Treffen in Brasilien, die bereits stattgefunden haben.

Wenn Ihr Interesse an einer Teilnahme habt, könnt Ihr Euch dort auch einschreiben. Ich weiss ein Flugticket ist kein Pappenstiel, aber hinterher kann man im Norden Brasiliens suuuuuuuuper Strand- und Kultururlaub machen ;-). Und das ist nicht so teuer wie in Europa!!!

Ich grüße Euch alle ganz herzlich aus dem zur Zeit etwas kühleren São Paulo (Winter bei 12°C) und wünsche Euch endlich einen ordentlichen Sommer.

Euer Axel

PS: Letzteres ist sogar ein wenig in eigenem Interesse, denn am 17.06. bin ich mal kurz in Bonn beim DAAD, der mich doch tatsächlich nochmal zum Vorstellungsgespräch für ein Stipendium eingeladen hat. Drückt doch mal alle kräftig um 12:00 Uhr die Daumen, vielleicht klappt es ja diesesmal – endlich!!!


SESC bedeutet SErviçio Social do Comércio und ist eine ziemlich spannende Einrichtung. Die Grundidee zu Beginn (1946) war: jeder Unternehmer im kommerziellen Bereich zahlt, gemessen an seinen Beschäftigten, eine Summe an das SESC, von der Sozial- und Ausbildungsprogramme finanziert werden sollen. Die Angestellten dieser Unternehmen haben dann die Möglichkeit vergünstigt an diesen Programmen teil zu nehmen. Da sich aber im Laufe der Zeit das Gesundheits- und Sozialsystem in Brasilien verändert hat (Privateinrichtungen & staatliche „Fürsorge“) hat sich der Betätigungsbereich und das Angebot des SESC auch in Richtung Kultur und Freizeitgestaltung erweitert. Das bedeutet, dass es heutzutage in 26 Staaten Brasiliens feste und mobile Einrichtungen für Ausbildung, Gesundheit, Kultur und Freizeit gibt, in denen ca. 15.000 ausgebildete Spezialisten beschäftigt sind. Im Kultur- und Freizeitbereich sind das fast 200 Einrichtungen. Gemessen an der Größe Brasiliens ist das natürlich nicht so viel, zudem muss man bedenken, dass sich diese Einrichtungen in bestimmten Regionen stärker konzentrieren als in anderen. Im Staat São Paulo, der Gründungsstätte dieser „Kette“, finden sich zum Beispiel 30 feste Einrichtungen, während Amazonia, ein Staat der mindestens fünfmal so groß ist, nur 3 Aktionszentren vorzuweisen hat. Klar ist Amazonia weniger dicht besiedelt und die Bedürfnisse der Bewohner sind vielleicht andere aber es handelt sich eben nicht um eine gleichmässig verteilte Angelegenheit. Wer sich mehr dafür interessiert, sollte mal auf http://www.sesc.com.br gehen, vielleicht gibt’s da auch was auf englisch ;-).

axel at June 13, 2004 09:18 PM

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